Wenn Unsinn Gesetz wird

Nach dem Betreuungsgeld ist die Maut das zweite politische Großprojekt, das die CSU jüngst gegen die Vernunft und alle Widerstände durchgesetzt hat. Doch beim Betreuungsgeld hat manch einer noch gewonnen, bei der Maut gibt es keine Gewinner.

Alexander Dobrindt nötigt einem Respekt ab, zwar auf etwas schräge Art, aber: Hut ab vor dieser Chuzpe. Über Jahre hat der Verkehrsminister von der CSU Hohn, Spott und auch sehr ernst zu nehmende Kritik an seiner Maut ertragen, zeitweise stand er in Berlin damit allein auf weiter Flur. Mehrfach wurde das Projekt für tot erklärt, doch im Lauf der Zeit schrumpfte diese scheinbare Gewissheit zur Hoffnung zusammen; diese ließ sich noch an der SPD, der Europäischen Kommission oder einfach der Vernunft festmachen. Aber es geschah, was auch manchmal im Fußball geschieht. Obwohl ein Team längst abgeschrieben ist und keiner mehr mit einem Tor rechnet, ist der Ball plötzlich drin. 2019, so sieht es aus, kommt sie, die Maut.

Das ist umso beeindruckender, weil sie politischer und auch ganz praktischer Stumpfsinn ist. Als von der CSU so titulierte Ausländermaut hat das Projekt im bayerischen und bundesweiten Wahlkampf 2013 begonnen; abseits der Christsozialen gab es wohl kaum jemanden, der es ernsthaft unterstützt hat. Und macht man nun einen Strich unter die Hochrechnungen aus Einnahmen und Ausgaben, die mit der Maut entstehen, gibt es viele Experten, für die das nicht einmal zum Nullsummenspiel reicht. Dabei ist ein Obolus für die Benutzung der Straßen nicht zwangsläufig verkehrt – dann zum Beispiel, wenn er wirklich darauf zielte, Elektrofahrzeuge massiv zu unterstützen und alte Pkw zu verbannen. Doch die „Ausländermaut“ war von Anbeginn ein ideologisches Projekt, ein Wahlkampfkurzschluss, der nun auf Biegen und Brechen in das Regelwerk der EU reingepresst werden musste. Wenn die Österreicher jetzt dagegen klagen werden, kann man ihnen nur Glück wünschen.

Es ist das zweite große Projekt, das die CSU gegen alle Widerstände durchsetzt

Dass die SPD keinen echten Widerstand gegen die Maut geleistet hat, nicht im Bundestag und auch nicht im Bundesrat, lässt sich kaum kritisieren. Die Maut steht im Koalitionsvertrag, und auch die Union hat sich an ihre Pflichten gehalten; unter anderem, als sie dem Mindestlohn und der doppelten Staatsbürgerschaft gegen ihre Überzeugung zustimmte. Anders ist es mit den Rechnungen namhafter Gutachter. Das Verkehrsministerium hat deren Ergebnisse regelmäßig für unbedeutend erklärt, selbst der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages wurde von der CSU diskreditiert. Es ist eine Art Politik zu machen, die man gegenwärtig eher in den USA verortet. Wirklich nebulös aber ist die Rolle der EU, die dem Projekt trotz anfangs heftiger Widerrede schließlich zustimmte. Ein Grund könnte sein, dass die Europäische Kommission mittelfristig in allen Mitgliedsstaaten Mautsysteme haben möchte – etwa um Bezahlsysteme für das automatisierte Fahren installieren zu können.

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Nach dem Betreuungsgeld ist die Maut nun das zweite politische Großprojekt, das die CSU in jüngerer Zeit gegen alle Widerstände durchsetzt. Anders als beim Betreuungsgeld, bei dem zumindest einige Familien etwas gewonnen haben, bleibt hierbei nur der kleinmütige und schale Triumph, es den Österreichern, Franzosen und anderen Wegelagerern endlich mal zu zeigen. Ansonsten können auch die deutschen Autofahrer nur verlieren. So gesehen wird die CSU vielleicht noch froh sein, dass die Maut frühestens 2019 kommt. In Bayern wird bereits im Jahr davor gewählt.

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