80 Jahre SPD in Völklingen – 1917 – 1997

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Schwerer Neubeginn

Eine erste Bilanz in Völklingen sagte: alle Brücken über die Saar zerstört, mehr als 1000 Gefallene sind zu beklagen, über die Vermissten, die in Gefangenschaft gab es noch keine Zahlen. Ein Großteil der Bevölkerung ist noch in der Evakuierung, der Hüttenbetrieb liegt erst noch still, von einem Verkehrswesen, von geregelter Lebensmittelversorgung kann nicht gesprochen werden. Und doch: das Leben geht weiter, erste Anfänge einer Verwaltung zeigen sich. Aber über allem ist ein Besatzungsregime. Unter ihm wurden sozialdemokratische, kommunistische und katholische, auch parteilose Antifaschistische in kommunale und betriebliche Funktionen berufen und das neue Leben organisiert. Eine nur oberflächliche Bilanz deutet die Größe der Aufgaben an, der sich auch die Völklinger Sozialdemokraten zu stellen hatten. Mit der Heimkehr der Bürger nach Völklingen nahmen die Wohnungsprobleme zu.

Ernst Kunkel wurde in Dudweiler als Bürgermeister von der Militärregierung eingesetzt. Kunkel hatte Jahre im französischen Exil verbringen müssen, war nach der Besetzung Frankreichs durch die Wehrmacht verhaftet worden, kam über verschieden Stationen nach Saarbrücken zur Gestapo und wurde später zu 14 Monaten Gefängnis verurteilt. Danach war es dienstverpflichtet worden. Am 21. Mai kam er an die Saar zurück. Er war es, der sich um die Kontaktaufnahme sozialdemokratischer Genossen über Völklingen hinaus bemühte, Ende September 1945 an einer Beratung in Friedrichthal teilnahm, wo man sich darauf verständigt, im Oktober in Völklingen zusammenzutreffen.

  • Ernst Kunkel (1908 – 1984)
  • 21.6.1945 – 1946 von den Amerikanern zum Bürgermeister der Stadt Völklingen ernannt
  • 1946/47 Oberregierungsrat beim Regierungspräsidium Saar
  • Ab 05.10.1947 Wahl in die gesetzgebende Versammlung / Landtag
  • Ab 05.11.1947 – 1951 Ministerialdirektor, Ständiger Vertreter des Innenministers
  • 1947 – 1955 Mitglied des Landesvorstandes der SPS
  • 1947 – 1955 Mitglied des Landtages, zuletzt Fraktionsvorsitzender

Parallel zu Ernst Kunkels Initiative waren aber auch die alten Völklinger SPD-Genossen tätig geworden, hatten ihr Kontakte intensiviert und die Parteigründung vorbereitet. Als die französische Militärregierung die Zulassung politischer Parteien gestattete, wurde mit Datum von 28. Januar 1946 dem Bürgermeister mitgeteilt, dass die Absicht bestehe „die sozialdemokratische Partei Saar Unterbezirk Völklingen zu gründen… Aktionsprogramm und Organisationsstatut anbei sowie Fragebogen.“

Außer Johann Klein (Jg. 1884), Tafelstraße 13 waren namentlich benannt: Adolf Zimmer (Jg. 1874), Auf den Feldern 20; Josef Lorenz (Jg. 1890), Ackerstraße 3; Sebastian Theis (Jg. 1888), Heinrich Jakob-Straße 8; Georg Kreis (Jg. 1893), Pfählerstraße 35.

Am gleichen Tag wurde die Gründung der Ortsgruppe avisiert. Den Antrag unterzeichnete ebenfalls Johann Klein und außer ihm Georg Kreis (Jg. 1896), Lessingstraße 7; Ludwig Kurtz (Jg. 1900), Kirchgasse 14; Josef Neumann (Jg. 1888), Bismarckstraße 57 und Engelbert Müller (Jg. 1914), Frankfurter Straße 72.

Sam 6. April 1946 fand dann eine Parteikonferenz statt, die „im Kinosaal des Genossen Sebastian Theis abgehalten wurde.“ Hatte es nach der Besetzung durch die US-Truppen am 20. März und dem Kriegsende, dem Tah der endgültigen Niederlage des Naziregimes am 8. Mai 2945 noch den Versuch einer „Vereinigten Kommunistischen und Sozialdemokratischen Partei, Ortsgruppe Völklingen“ gegeben, für den Franz Braß (KP) und Wilhelm Kiefaber (SP) unterzeichnet hatten, so blieb es in der Parteigeschichte eine Episode.

Auf Betreiben des Verfasser, in Zusammenarbeit mit Johann Pitz, Richard Rauch und August Savelkouls trafen sich Ende September etwa zwei Dutzend Sozialdemokraten im Rathaus von Friedrichthal. Es war eine ein wenig sentimentale Wiedersehensfeier, ein erster Gedankenaustausch und eine erste Bekundung des Willens, die Partei neu aufzubauen…Wir kamen überein, uns im Oktober wieder zu treffen. Bis dahin sollte jeder Informationen über den Verbleib unserer ehemaligen Funktionäre einziehen. August Savelkouls wurde beauftragt, ein Organisationsstatut aufzuarbeiten. Ein vorläufiges Aktionsprogramm sollte Johann Pitz erarbeiten. Für die zweite Zusammenkunft erging dann schon eine gedruckte Einladung mit folgenden Wortlaut:„Einladung zu einer Tagung im Sitzungssaal des neuen Rathauses Völklingen für Sonntag, den 22.10.1945, vormittags 9 Uhr,Tagesordnung:Die Überwindung des NationalsozialismusWahlen(Aus einem unveröffentlichtem Manuskript von Ernst Kunkel)

Bis zur ersten Kommunalwahl waren im Herbst 1945 „Gemeindeausschüsse“ berufen worden. Als Sozialdemokraten waren aus Stadtmitte berufen: Johann Klein, Tafelstraße 13; Sebastian Theis, Heinrich Jacob-Straße 8; Ludwig Kurtz, Kirchgasse 4; Georg Kreis, Pfählerstraße 31. Zu den „außerordentlichen Mitgliedern“ zählten: Josef Lorenz, Ackerstraße 3; Wilhelm Anschütz, Hochstraße 7.

Zug um Zug war die Hütte wieder in Gang gesetzt, Georges Thédrel als Sequesterverwalter eingesetzt worden. Mitte des Jahres zählte man 2185 Belegschaftsmitglieder.

Die Partei hatte sich auch bald schon der ersten Nachkriegswahl zu stellen. Am 15. September 1946 fanden Kommunalwahlen statt. Der Stimmzettel wies von jeder Partei (CVP, KP, SP und Liste der parteilosen Antifaschisten) 12 Kandidaten aus. Die SP erhielt im Stadtbereich 5146 (=28,87%) Stimmen und 9 Mandate. Die CVP stellte nun den Bürgermeister. Sebastian Theis wurde zum 1. Beigeordneten gewählt. Aus Stadtmitte gehörten dem Stadtrat folgende SP-Mitglieder an: Wilhelm Anschütz, Johann Klein, Georg Kreis, Josef Lorenz, Sebastian Theis.

Im Jahre 1946 bahnte sich für die künftige Entwicklung an der Saar ein Prozess an, der auch tiefgreifende Auswirkungen auf die Sozialdemokratische Partei an der Saar hatte. Frankreich begann seinen Anspruch auf das Saarland durchzusetzen. Mit dem „Zuckerbrot“, künftig im Verbund mit Frankreich eine gesicherte Zukunft und bessere Lebensbedingungen zu wählen, oder der „Peitsche“, Reparationsleistungen und Demontage, wurden die Parteien und Bevölkerung „bearbeitet“.

In dieser Situation der Jahre 1946/47, – die Bundesrepublik Deutschland wurde ja erst 1949 konstituiert, Deutschland war in Besatzungszonen aufgeteilt und Niemand wusste genau, wie es mit diesem Land und in Europa überhaupt weitergehen würde -, entschied sich die SP für die Zustimmung zur Verfassung des Saarlandes und insbesondere zur Präambel, in der die Lostrennung on Deutschland und der wirtschaftlichen Anschluss an Frankreich mit Zoll- und Währungsunion festgeschrieben war. Wenige Jahre später sollte dieser Kurs in Frage gestellt werden. Bei der Landtagswahl am 05.10.1947 erzielte die SPS in der Stadt Völklingen 6854 Stimmen = 35,9 %.

Jene Jahre waren gekennzeichnet durch beachtliche Aufbauleistungen in der Stadt und der Verkehrsverbindungen zu den Umlandgemeinden. Das entsprach den Bedürfnissen der Menschen in Völklingen wie im ganzen Land; denn mehr und mehr strömten Arbeitskräfte nach Völklingen, die auf der Hütte, der Grube und in den anderen Betrieben Arbeit fanden.

Die Bedürfnisse nach Wohnungen führten zur Ausdehnung der bisherigen Bebauungsgrenzen, z.B. ab der Schubertsstraße Richtung Kleinscheid, auf dem Heidstock, die Thedrel-Siedlung am Schulzenfeld, auf der damaligen Bouser-Höhe. Buslinien nach Püttlingen und Wadgassen kamen hinzu. Neue Schulen wurden gebaut.

Vorsitzender des Ortsvereins war ab 1948 Heinrich Blaes, sein Stellvertreter Karl Schlick.

Am 27. März 1949 standen Wahlen zum Stadtrat an. Die SPS erhielt 6450 Stimmen = 33,0 %. Sie verbesserte ihre Mandatszahl auf 11 (von ins. 32) Mandate. Mit Sebastian Theis präsentierte sie auch einen Kandidaten als Bürgermeister. Dreimal wurde gewählt, dreimal das gleiche Stimmergebnis von 15 :15 Theis : Trenz (CVP). Nach dem 3. Wahlgang wurde Rudolf Trenz aufgrund seines höheren Alters zum Bürgermeister bestimmt.

Dem Stadtrat gehörten aus Stadtmitte folgende Sozialdemokraten an: Wilhelm Anschütz, Johann Klein, Georg Kreis, Josef Lorenz, Theo Reichertz, Sebastian Theis und ab 1951 auch Peter Marx.

Im Herbst 1952 standen Landtagswahlen an. Schon im März hatte eine Deutsche Sozialdemokratische Partei einen Antrag auf Zulassung gestellt, der abschlägig beschieden wurde. Von nun an aber wirkte eine illegale Sozialdemokratische Partei. Ihr Vorsitzender war der 1947 auf der Liste der SPS in den Landtag gewählte Abgeordnete Kurt Conrad. Am 7. Oktober 1952 wandte er sich z. B. im Landtag gegen eine Verewigung des Siegerrechtes Frankreichs an der Saar.

Bei der Landtagswahl Am 30.11.1952 erhielt die SPS in der Stadt Völklingen 6758 Stimmen = 35,9 %. Sebastian Theis aus Völklingen-Mitte war als SPS- Abgeordneter in den Landtag gewählt worden.

Außer der Kommunistischen Partei war in jenen Jahren keine Partei legalisiert, die den Kurs der Lostrennung von Deutschland – im Verbund mit Frankreich öffentlich in Frage stellen durfte. So spielten sich die Parteiaktivitäten der oppositionellen Sozialdemokraten entweder unter illegalen Bedingungen oder aber innerhalb der Gewerkschaften und in Vereinen ab. Soziale Fragen wurden immer stärker mit der nationalen Frage verknüpft je deutlicher sichtbar sich die Aufwärtsentwicklung in der Bundesrepublik wurde. Auf ihrem Kurs zur Westintegration musste die Bundesrepublik Deutschland sich auch mit Frankreich arrangieren. Ls kam am 23. Oktober zum Abschluss der Pariser Verträge. Zu ihnen gehörte das sogenannte „Europäische Saarstatut“, das – grob gesagt – den bisherigen Kurs bei einigen kosmetischen Veränderungen fortschreiben sollte. Allerdings sollte die Saarbevölkerung ein Jahr später in einem Referendum darüber befinden. Und: drei Monate vorher mussten die sogenannten „prodeutschen Parteien“ und Zeitungen zugelassen werden. In den Jahren 1952 – 1955 war es zu einem Stimmungsumschwung unter der Bevölkerung gekommen. Sie folgte immer weniger den bis dahin dominierenden Parteien CVP und SPS.

Im Februar 1955 kam es aus einem Lohnkampf heraus zu einem General­streik, bei dem die Saarregierung das Saarbataillon mit Wasserwerfer, Gum­miknüppel und Polizei zu Pferde gegen die streikenden und demonstrie­renden Arbeiter einsetzte. Vertrauen in die bisherige Politik oder auch nur Skepsis waren nun regelrecht zusammen geknüppelt worden. Das führte zu stärkerem oppositionellem Engagement. Ein kleiner Kreis von An­hängern der Deutschen Sozialdemokratischen Par­tei (DSP) in Völklingen kam schon sehr früh zusammen, besuchte ille­gale Veranstaltungen der späteren „Heimatbund- Parteien“, (DPS, CDU und DSP schlossen sich im Volksabstimmungskampf zum „Heimatbund“ zu­sammen.) die z.B. im Lokal Anker, heute Montanhotel, und im Lokal Roller am Alten Markt stattfanden.

Es kam dann zur Grün­dung der Deutschen So­zialdemokratischen Partei in den Räumen des Knappschaftskrankenhau­ses, das an der Ecke Rat­haus – Poststraße (heute Globus-Parkdeck) stand. Das genaue Datum ist lei­der nicht festzumachen. Dort war Franz Glauben Verwaltungschef. Vorsitzender wurde Franz Glauben, Stellvertreter Fritz Näher, Schriftführer Ernst Tesar, Kassierer Waldemar Gerber, Beisitzer Albert Dernbecher, Karl Bellmann, Paul Herig.

Im September 1955 setzte eine regelrechte Versammlungsoffensive ein, die alle Völklinger Stadtteile erfasste. Am 24. September sprach Friedrich Regitz – der spätere Neunkircher Oberbürgermeister – in der Turnhalle und an glei­cher Stelle 14 Tage später Dr. Hans-Peter Will. Am 9. Oktober trafen sich SPD-Genossen aus allen Stadtteilen zu einer Vorständekonferenz im Hotel Roller.

Im Sommer/Herbst 1955 kam es in den Auseinandersetzungen um das Ja oder Nein zum Saarstatut zu polemischen Zuspitzungen, ja Beschimpfun­gen, die lange schmerzende Wunden hinterließen und das spätere Zusam­menführen in der SPD erschwerten. Den Ja-Sagern schien eine in Aussicht gestellte „Europäisierung“ des Saarlandes an der Seite Frankreichs eine stärkere Garantie vor befürchtetem Wiederaufleben des deutschen Nationa­lismus und so als friedensstabilisierend. Die Nein-Sager trauten den franzö­sischen „Europäisierungs“-Beteuerungen nicht, hatte Frankreich sich doch in den zurückliegenden Jahren mehr als Kolonialmacht (Vietnam, Algerien) erwiesen denn als eine Macht, die Europas Einigung und Gleichberechti­gung betrieb.

Bei der Abstimmung am 23. Oktober sagten in Völklingen 18922 Wahl­berechtigte (= 72,3 %) Nein zum Saarstatut. 7234 (= 27,7 %) votierten mit Ja.

war noch im Dezember ein neuer Landtag zu wählen. In der Nacht nach der Abstimmung war CVP-Ministerpräsident Hoffmann (Joho) zurückgetreten. Die Wahl am 18. Dezember brachte in Völklingen folgende Ergebnisse: DSP/SPD: 3399 Stimmen (= 13,9 %) und SPS: 1316 Stimmen (=5,4%).

Das Wahlergebnis signalisierte, wie stark sozialdemokratische Positionen in unserer Stadt (allerdings nicht nur in Völklingen, sondern im ganzen Land) zurückgefallen waren. Die Vereinigung der „alten“ SPS-Mitglieder mit der „jungen“ DSP/SPD war dringendes Gebot und doch nicht so einfach zu bewerkstelligen. Waldemar Gerber überlieferte, dass damals 50 SPD-Mit- gliedern – 200 SPS-Mitgliedern gegenüberstanden, und die Gräben waren tief. Franz Glauben legte wegen der Aufnahme der SPS-Mitglieder den Vor­sitz nieder.

Und im Mai 1956 standen schon die nächsten Wahlen an. Mit einem inzwi­schen historischen, auch heute noch lesenswerten 20-Punkte-Programm stellte sich die SPD-Völklingen ihren Wählern.

Zur Stadtratswahl kandidierten aus Völklingen Mitte: Bertram Schill, Peter Marx, Waldemar Gerber, Georg Demmer, Edgar Altmeyer, Fritz Friedling, Adolf Kaltwasser, Maria Lay. Es war ein kompliziertes Wahlsystem bei wel­chem innerhalb der Liste die ablehnenden Stimmen (man konnte einzelne Kandidaten streichen) zu erst gezählt wurden. Und nach der Zahl der ableh­nenden Stimmen wurde gewissermaßen von hinten her die Reihenfolge bestimmt. Das Ergebnis: bei sieben Kandidaten (der Stadtrat zählte 39 Mit­glieder) kam nur Fritz Friedling durch (vier aus Fürstenhausen, einer von Fenne, einer aus Wehrden).

Noch war zu dieser Zeit das Saargebiet kein Land der Bundesrepublik Deutschland, noch war der Vertrag von Luxemburg, der diese Frage zwi­schen Frankreich und Deutschland regeln sollte, nicht unterzeichnet, die SPD in Bonn in der Opposition und mit nur 9 (SPD: 7; SPS:2) von 50 Man­daten im Saarlandtag.

Es lag also noch ein weiter Weg vor der SPD Saar, als am 1. Januar 1957 das Saarland ein Land der Bundesrepublik Deutschland wurde.

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