80 Jahre SPD in Völklingen – 1917 – 1997

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Erste soziale und sozialdemokratische Regungen

Im ganzen Reich aber hatte die sozialdemokratische Partei unter August Bebel, Wilhelm Liebknecht und anderen eine stetige Aufwärtsentwicklung der Mitgliederzahlen und der Wählerstimmen zu verzeichnen.

Und doch gab es auch in Völklingen immer wieder Versuche, Arbeiter anzusprechen, sie zu organisieren und ihre Stimme zu gewinnen. Das war in der Zeit bedeutender Streiks 1889-1893 ebenso der Fall wie in Wahlkämpfen.

Jahr Stimmen Prozente Mandate
1881 311.961 6,1%
1884 549.990 9,7% 24 Mandate
1887 763.128 10,1% 11 Mandate
1890 1,4 Millionen 19,7% 35 Mandate
1893 1,7 Millionen 23,3% 44 Mandate
1898 2,1 Millionen 27,2% 56 Mandate
1903 3,01 Millionen 31,7% 81 Mandate
1907 3,25 Millionen 28,9% 43 Mandate
1912 4,25 Millionen 34,7% 110 Mandate

Reichstags-Wahljahr, Stimmen, Prozente und Mandate bei den Reichtagswahlen

(Es wurde nach Wahlkreisen gewählt, nicht nach der Verhältniswahl. Daher ergaben sich bei den Stichwahlen unterschiedliche Mandatszahlen.)

Bürgermeister Stürmer erkannte durchaus die sozialen Probleme, die Notlage der Arbeiterfamilien. Er signalisierte sie in seinem Briefen dem Landrat, so im Januar 1892: „Die Löhne der Hüttenarbeiter sind jetzt so gering, dass diese kaum das nackte Leben fristen können und vielfach die Privatwohltätigkeit eintreten muss“. Die Bergarbeiter – man denke hier vor allem an den Aufstieg, aber auch die Arbeiter in der Glasfabrik versuchten durch Streiks bessere Löhne und Arbeitsbedingungen zu erreichen. Immer wieder reagierten die Unternehmer mit Ignoranz und Repression. Auch bei Flugblatt-Verteilungen.

Im Mai 1893 beehrte sich Bürgermeister Stürmer, seinem Landrat „zu berichten, dass noch am selben Abend von fünf Sozialdemokraten von Saarbrücken am Ausgang des Hüttenwerks der bekannte Wahlaufruf die Sozialdemokraten verteilt worden ist. Da die größere Mehrzahl der Arbeiter die Zettel teilweise zerriss bzw. wegwarf, sahen sich zwei Schlosser der Hütte veranlasst, den Arbeitern anzuempfehlen, die Zettel aufzubewahren und danach zu wählen. Dieselben auf gemachte Anzeige sofort aus der Arbeit zu entlassen“.

Nur allzu verständlich ist, dass unter diesen Bedingungen die Anzahl der Wählerstimmen bescheiden blieb und von Gründung eines Partei-Ortsvereins noch keine Rede sein konnte. Ausdruck der Bergarbeiterforderungen jener Zeit waren die sogenannten „Völklinger Beschlüsse“ vom 4. Mai 1890, die an den Reichstag gerichtet waren. In 24 Paragraphen wurden Forderungen zur Arbeitszeit, den Arbeitsbedingungen, Löhnen und Lohnfindung erhoben.

Die sozialdemokratischen Wählerstimmen bei der Reichstagswahl 1912
Völklingen (mit Obervölklingen) 208
Fürstenhausen 20
Wehrden 31
Geislautern 14
Ludweiler 17
Lauterbach 36
Karlsbrunn 7
St. Nikolaus 1
Naßweiler 5
Emmersweiler 6
Großrosseln 3

In diesem Jahr 1912 hatte es in Völklingen „Wahlkrawalle“ gegeben. Bürgermeister Sohns berichtet in einem Brief vom 22.04.1912 an Hermann Röchling, dass an diesen Krawallen neun Hüttenarbeiter beteiligt gewesen seien, von denen sechs in Saarbrückenvon der Strafkammer abgeurteilt und einer vom Schöffengericht in Völklingen bestraft worden sei. Zwei seien freigesprochen worden. Der Bürgermeister führt die Namen der Beteiligten an. Er schreibt dann weiter:

„Unter Bezugnahme auf die seinerzeit erfolgte Rücksprache bitte ich nunmehr, die vorstehend genannten, soweit noch nicht geschehen sollte, dortseitig aus dem Arbeitsverhältnis zu entlassen, da ich mir gerade von dieser Maßnahme eine heilsame Wirkung für die Zukunft verspreche.“

Sozialdemokratische Parteigänger und freie Gewerkschafter gab es offensichtlich in jenen Jahren in Völkloingen. Die Zeugnisse für ihre Existenz und ihr Wirken in jener Zeit sind allerdings noch spärlich. Die „Völklinger Zeitung“ berichtete am 20. Mai 1914 über eine Verhandlung des Schöffengerichts:

„Wegen Veranstaltung eines ungewöhnlichen Leichenbegängnis ohne polizeiliche Erlaubnis werden vier Gewerkschaftsangehörige aus Saarbrücken – der Gewerkschaftssekretär Fran K., der Bauarbeiter Jak V., die Maurer Jak W. und Valentin Sch. – in eine Geldstraße von je 10 Mk. Genommen“.

Bei Valentin Sch. darf mit Sicherheit angenommen werden, dass es sich um den späteren Vorsitzenden des Arbeiter- und Soldaten-Raten Saarbrücken (1918) und den Vorsitzenden der SPD/Saar Valentin Schäfer, handelte.

Was kann „ein ungewöhnliches Leichenbegängnis“ gewesen sein? Wurde eine Fahne der Gewerkschaft mitgetragen? Waren die vier Verurteilten etwa die Sargträger oder hat einer von ihnen eine Grabrede gehalten?

Im Verlauf des 1. Weltkrieges brachen die bisherigen Strukturen zusammen. Die Verluste an Menschenleben, Hunger, Elend, Not waren ein bitterer Erlebnisfaktor. Tausende von Arbeiter waren aber auch mit Menschen aus dem ganzen Deutschen Reich zusammengekommen, hatten sich austauschen können. Die Soldaten lernten andere Regionen und Länder – wenn auch nur unter den Bedingungen des Krieges kennen. Die Kriegsmüdigkeit wuchs, die bisherigen Autoritäten verloren immer mehr ihren Glorienschein.

„Unterernährt, schlecht gekleidet, kriegsmüde und kaum fähig, die körperlichen Leistungen zu verrichten, die man von ihm forderte, war der Saarhüttenarbeiter am Ende des Krieges nicht mehr mit dem zu Zeiten Stumms und vor dem Kriege zu vergleichen. Die fortschreitende materielle Verelendung schuf auch im Saargebiete die Atmosphäre, die aufnahmefähig für den sozialen und wirtschaftlichen Umsturz war“. (Karl Alfred Gabel, 1921)

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